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Freundschaftsplanung
Vor ein paar Tagen stieß ich auf den Artikel "Friends of a Certain Age" in der New York Times, in dem der Autor die These vertritt, dass wir ab einem gewissen Alter anstelle von BFFs, nur noch KOFs (kind of friends) finden und gleichzeitig den Kontakt zu den meisten Freunden von früher verlieren.
"kind of friends"
Dieses Szenario klingt erstmal sehr trostlos, wird von ihm aber mit recht nachvollziehbaren Gründen belegt. Zum einen würden das Familien- und Berufsleben wenig Zeit für ein eigenes Sozialleben lassen. Zum anderen wären wir dann auch nicht mehr auf enge Begleiter in einer von Unsicherheiten und einem ausgeprägten Feierverhalten geprägten Lebensphase angewiesen, wie es in unserer Jugend der Fall ist. Zusammengefasst stagniert unser Freundeskreis also gegen Ende der Rush-Hour des Lebens.
Das erinnert mich stark an die vergleichbare Situation im Bereich der Familienplanung. Denn auch hier passieren alle Entscheidungen und Ereignisse, die unseren Familienstatus den Rest unseres Lebens über bestimmen werden, in einem ähnlichen Zeitfenster. Allerdings ist das Thema Familienplanung medial und privat sehr viel stärker präsent. Zumindest Mädchen werden oft genug gefragt, wie viele Kinder sie einmal haben möchten. Die Frage fällt in die gleiche Kategorie mit "Was willst du mal werden" oder später dann "Das ist ja sehr interessant, dass du Komparative Ethnologie studierst - und was macht man dann damit?". Auch mit Freundinnen und Verwandten wird das Thema oft diskutiert, nicht selten "nebenbei".
Vor allem Frauen richten schließlich sogar Privat- und Berufsleben stark nach dieser Planung aus, wie beispielsweise der TED-Talk "Why we have too few women leaders" von Sheryl Sandberg gut beschreibt.
Wieviele Freunde möchtest du mal haben?
Dagegen habe zumindest ich mir bis vor einigen Tagen noch keine Gedanken dazu gemacht, wie genau mein Freundeskreis wohl mit Ende 30 aussehen wird. Mich hat auch noch nie jemand gefragt, wie viele Freunde ich denn mal haben wollen würde. Genauso ist mir der Dialog "Oh, du hast dieses Wochenende schon wieder nichts gemacht außer zwei Netflix-Serien komplett durchzuschauen?" - "Ja, weißt du, meine Freundschaftsplanung ist ja jetzt abgeschlossen." noch nie untergekommen.
Dabei ist der Freundeskreis, die Familie die man sich ausgesucht hat, doch zumindest ähnlich wichtig wie der immerzu durchdachte Familienstatus.
Wir sollten den Freundeskreis, den wir uns wünschen, bei unseren kommenden Lebensentscheidungen also zumindest ähnlich stark berücksichtigen wie unsere Vorstellungen von Beruf und Kinderanzahl.
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